Hallo <<dein vorname>>,
ich hoffe, du bist gut durch die Woche gekommen.
Am Donnerstag jährte sich zum 4. Mal der Beginn der türkischen Invasion in Efrîn in Rojava (Nordsyrien), welche auch ein Angriff auf die Errungenschaften der dortigen Frauenrevolution war. In diesem Newsletter geht es um die Folgen der Militäroffensive, außerdem um die Verhaftung der Kurdischlehrerin Zara Mohammadi im Iran und um den Widerstand afghanischer Frauen unter den Taliban. Das und mehr liest du jetzt.
Falls du den letzten Newsletter verpasst hast, kannst du ihn hier nachlesen. Alle letzten Ausgaben findest du hier.
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Seit 4 Jahren besetzt die türkische Armee das Gebiet Efrîn:
Im Januar 2018 fiel die Türkei in Efrîn im autonomen Rojava ein. Zwei Monate lang leistete die lokale Bevölkerung Widerstand gegen die türkische Armee und seine islamistischen Söldner, bis die Türkei das Gebiet schließlich einnahm. Tausende starben bei der Verteidigung Efrîns. Das Gebiet war bis dahin der friedlichste Kanton der Selbstverwaltung in Rojava und ein Symbol der Frauenbefreiung.
Die Folgen der türkischen Besatzung waren systematische Plünderung, die Vertreibung der dortigen überwiegend kurdischen Bevölkerung, und eine gezielte Umsiedlung und Zwangsislamisierung in der Region. Insbesondere Alevit*innen, Êzîd*innen und Christ*innen litten darunter und wurden in die Flucht getrieben. Mit der Besetzung Efrîns wurde außerdem ein gezielter Krieg gegen Frauen und die Frauenbewegung geführt: Es hat seither einen drastischen Anstieg an Femiziden, sexualisierter Gewalt, Entführungen und Zwangsverheiratungen gegeben. Mit dem Angriff sollte auch der Widerstand der Bevölkerung und der Frauen gebrochen werden, die die Selbstverwaltung in Efrîn zuvor aufgebaut hatten.
An vielen Orten Rojavas und auch in Europa gab es in diesen Tagen Demonstrationen, an denen auch Vertriebene aus Efrîn teilnahmen. Die YPG (Volksverteidigungseinheiten) schrieben in einer Erklärung zum Jahrestag, dass sie als internationalistische Kraft ihr Vertrauen „in die Solidarität und Genossenschaftlichkeit der Menschen überall auf der Welt“ setzen: „Ob das bedeutet, dass ihr hier nach Rojava kommt und euch dem Kampf anschließt oder uns aus der Ferne unterstützt – es gibt viele Fronten im Kampf um eine freie Gesellschaft. […] Während die Staaten gegenüber den Verbrechen in Efrîn stillhalten, sind es die Menschen weltweit, die aktiv werden, die ihre Leben opfern und einen Unterschied in der Verteidigung der Freiheit machen.“
Übrigens gibt es jetzt einen weiteren Aufruf der Internationalistischen Kommune in Rojava, mit der Einladung, nach Rojava zu kommen und in Arbeitsbrigaden die Revolution zu unterstützen. Hier alle weiteren Infos.
Frauen in Afghanistan leisten weiterhin Widerstand:
Fast ein halbes Jahr ist die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan her. Die Lage hat sich seither insbesondere für Frauen massiv verschlechtert. Gleichzeitig sind Frauen in Afghanistan derzeit tagtäglich auf den Straßen, um für das Recht auf Arbeit und Bildung, aber auch gegen das Verschwinden und Ermordungen von Frauen zu demonstrieren, von denen insbesondere Minderheiten wie Hazara-Frauen betroffen sind.
Die Proteste werden mit Tränengas angegriffen, Aktivist*innen festgenommen und bei Razzien mit Gewalt konfrontiert. Erst vergangenen Mittwoch wurden die Aktivistinnen Tamana Zaryabi Paryani und Parawana Ibrahimkhel in der Hauptstadt Kabul in ihren Wohnungen aufgesucht und festgenommen. Auch die Schwestern von Paryani wurden mitgenommen. Seit August verhängten die Taliban nach und nach mehr Maßnahmen, um die Freiheit und Rechte von Frauen und Mädchen einzuschränken, wie den Ausschluss aus dem öffentlichen Leben, Ausschluss aus Bildung und Arbeitsplätzen, die Schließung von Frauenhäusern und weitere Regelungen, die Frauen zunehmend von Männern abhängig machen und isolieren sollen. Viele Aktivist*innen in Afghanistan sind seit der Machtübernahme der Taliban untergetaucht und arbeiten im Untergrund weiter.
Kurdischlehrerin Zara Mohammadi im Iran verhaftet:
In Sine (Sanandaj) in Ostkurdistan muss die 29jährige Kurdischlehrerin und Aktivistin Zara Mohammadi jetzt eine fünfjährige Haftstrafe antreten. Sie ist Mitbegründerin des Kulturvereins Nûjîn, der unter anderem Unterricht in kurdischer Sprache fördert. Sie wurde schon mal 2019 von den iranischen Sicherheitskräften verhaftet und 2020 wegen angeblicher Gefährdung der nationalen Sicherheit zu zehn Jahren Haft verurteilt, welche später auf fünf Jahre reduziert wurde. Nach unbegründeter Ablehnung eines Revisionsantrags musste sie nun ihre Haft antreten. Kurdische Organisationen und Aktivist*innen sprechen von einer gezielten Politik der Kriminalisierung gegen die kurdische Sprache.
A propos Kriminalisierung der kurdischen Sprache und Kultur... Am Mittwoch wird in Leipzig über die Klage gegen das Verbot des kurdischen Verlags "Mesopotamien" und des Musikvertriebs "MIR" verhandelt. Beide wurden im Jahr 2019 verboten, dabei wurden tonnenweise Bücher und andere Kulturgüter beschlagnahmt. Über 100 Verlage, Buchhandlungen und Medienschaffende haben im Vorfeld der Verhandlung in Leipzig eine Solidaritätserklärung abgegeben, darunter das „Lower Class Magazine“, die Redaktion der „jungen Welt“, die Redaktion der „analyse & kritik“, die „Rote Hilfe“ und der „Unrast“-Verlag. Zur Erklärung geht’s hier.
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Hinweise und Empfehlungen:
Video-Empfehlung - Cansu Özdemir über türkischen Faschismus in Europa und die Morde an drei kurdischen Frauen in Paris: Die LINKEN-Politikerin Cansu Özdemir war beim êzîdischen TV-Sender Cira Report zu Gast und hat über die Gefahren des türkischen Faschismus und den Anschlag in Paris, bei dem 2013 die drei kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansiz, Leyla Saylemez und Fidan Dogan ermordet wurden, gesprochen. -> Hier ansehen.
Und hier sind noch einige interessante Artikel:
„Es darf nicht bei Worten bleiben“ - Rede von Serpil Temiz Unvar vor dem Hanau-Untersuchungsausschuss: "Ich habe die Verantwortung übernommen, so lange weiterzumachen, bis ich nicht mehr kann. Ich habe als Mutter die Leiche von meinem Sohn umarmt und geküsst. Das, was ich tue, das ist nicht für mich. Ferhat und all unsere Kinder sollen nicht umsonst gestorben sein. Die Zukunft liegt in unseren Händen." -> Hier lesen.
Solidarität mit DITIB gefährdet Menschen - Interview mit Civan Akbulut | analyse & kritik: "Türkische Rechte und Islamisten haben immer wieder Andersdenkende und Angehörige von Minderheiten ermordet. Ich bekomme bis heute regelmäßig Morddrohungen aus diesen Kreisen. Wer sich Antifaschist nennt, darf bei diesen Gruppen nicht die Augen verschließen, wer sich gegen Rassismus stark machen möchte, muss sich auch gegen Rassismus gegen Kurd*innen, Jesid*innen, Armenier*innen oder Alevit*innen einsetzen." -> Hier lesen.
Paragraf 219a: Information, nicht Werbung - Linda Peikert | neues deutschland: "Bei welcher anderen, höchst persönlichen Entscheidung wird man genötigt, mit einer fremden Person darüber zu sprechen und kriegt vom Staat anschließend eine Bedenkzeit auferlegt?" -> Hier lesen.
If I die at the hands of a man, I don’t want a vigil. I want a riot - Janey Starling | openDemocracy: "When migrant women are hounded by the hostile environment, when sex workers are shamed, when trans women are vilified, when Muslim women are patronised, when women in prison are forgotten – the structures that are killing us all still stand. It is only when we unite across our differences that the scaffolding will begin to creak." -> Hier lesen.
Frauen im Widerstand. Aktivistinnen sind im Patriarchat besonders heftiger staatlicher Repression ausgesetzt - Gitta Düperthal | junge Welt: "Aktivistinnen im Klimaschutz erführen durch die Justiz teilweise härtere Repression als andere, auch weil Frauen aufgrund gesellschaftlicher Rollenklischees aktiver Widerstand und Kampfgeist weniger zugestanden werde als Männern. Junge Frauen hätten bei der Räumung im Dannenröder Forst schwere Wirbelsäulenverletzungen davongetragen. Einer älteren Ökofeministin sei bei einer Trassenblockade dort von einem Polizisten eine Kerze brutal aus der Hand getreten worden" -> Hier lesen.
Übrigens: Wenn du mehr Nachrichten aus Kurdistan lesen willst, schau bei "ANF" vorbei. Außerdem veröffentlicht der "Kurdistan Report" regelmäßig politische Analysen über die Region.
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Und das war's auch schon für diese Ausgabe. Ich hoffe, es waren interessante Sachen für dich dabei. Wenn du Feedback oder Fragen zum Newsletter hast, melde dich gerne per E-Mail, Twitter oder Instagram. Ich freue mich über jede Rückmeldung.
Bis zum nächsten Mal!
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