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Hallo <<dein vorname>>,

Wo soll man anfangen. Die Nachrichten der letzten Tage und Wochen waren erschütternd und du hast viele von ihnen wahrscheinlich schon mitbekommen: in den USA wurde landesweit das Recht auf Abtreibung gekippt, in der norwegischen Hauptstadt Oslo fand am Vorabend der geplanten Pride-Parade ein queerfeindlicher Anschlag statt und in Melilla wurden 37 flüchtende Menschen von marokkanischen Grenzbeamten getötet – ein weiteres Massaker an den EU-Außengrenzen.
Außerdem: Im Sudan haben wieder Frauen gegen Gewalt durch Sicherheitskräfte protestiert und hier in Deutschland wurde der §219a abgeschafft. Das und mehr liest du in der heutigen 10. Ausgabe.

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Jetzt zu den Nachrichten:
 
Massaker in Melilla

Am Wochenende töteten marokkanische Grenzbeamte bis zu 37 Menschen, die versuchten, die Grenze zwischen Marokko und Melilla zu überqueren. Hunderte weitere wurden teilweise schwer verletzt. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez lobte die Arbeit der marokkanischen Gendarmen auch noch und die tödliche Gewalt, die eingesetzt wurde, wird damit gerechtfertigt, dass die Migrant*innen das Land „überfallen“ hätten. Auch in den deutschen Medien wird in den Schlagzeilen zu diesem Massaker von einem „Ansturm“ von Migrant*innen gesprochen. Die Journalistin Sham Jaff kritisiert: „Es ist kein ‚Ansturm‘. Hört auf, Migration zu militarisieren. Diese Menschen haben alle, ausnahmslos, das Recht auf einen Asylantrag.“ – Ganz genau. Sobald ein geflüchteter Mensch spanischen Boden betritt, hat er eigentlich das Recht, einen Asylantrag zu stellen. Stattdessen kommt es immer wieder zu illegalen Pushbacks an den EU-Außengrenzen. Die Rechte, die Würde und das Leben von Geflüchteten, insbesondere Schwarzen Geflüchteten, wird mit Füßen getreten. Dabei haben wir anhand der Situation geflüchteter Ukrainer*innen gesehen, dass Staat und Gesellschaft Geflüchtete nicht nur aufnehmen können, sondern auch alle möglichen Hilfsangebote, Berufs- und Ausbildungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen können. Es ist also möglich, aber für das weiße Europa gilt das anscheinend nicht, wenn die Schutzsuchenden keine weißen Europäer*innen sind. Hier möchte ich noch kurz aus dem Statement der Sea-Watch-Crew zitieren:

„Wir trauern um die Opfer des Melilla-Massakers und stehen in Solidarität mit ihren Angehörigen und Freund:innen. Die von der Festung Europa errichteten Mauern sind brutal und tödlich - zumindest wenn man die „falsche“ Hautfarbe hat und im „falschen“ Land geboren ist. Die rassistische Doppelmoral, die sich nun seit Monaten an den EU-Grenzen zeigt, ist abscheulich. Während weißen Ukrainer:innen mit allen Mitteln geholfen wird, werden Schwarze Menschen in Melilla tot geprügelt oder im Mittelmeer ertrinken gelassen.“

Menschenrechtsorganisationen fordern nun eine Untersuchung der Pushbacks und Ermordungen.



Norwegen
Zwei Menschen bei queerfeindlichem Anschlag getötet

In der norwegischen Hauptstadt Oslo griff ein mutmaßlich islamistischer Täter am Wochenende die queere Bar „London Pub“ mit Schüssen an. Zwei Menschen, ihre Namen waren Jon Erik und Kåre, wurden dabei getötet und es gibt über 20 Verletzte. Der Anschlag fand am Vorabend der geplanten Pride-Demo in Oslo statt, die nach dem Anschlag auf Empfehlung der Polizei abgesagt wurde. Stattdessen fanden in mehreren Ländern, auch in Berlin und in Frankfurt, Gedenkfeiern für die Opfer des Anschlags statt. Heute (Montag) Abend findet in Oslo ein weiteres Solidaritätsgedenken statt, zu der Aktivist*innen ihre Fahnen und Symbole mitbringen.

Deutschland
Paragraf 219a gestrichen

In Deutschland wurde der Paragraf 219a aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Dieser kriminalisierte bisher Ärzt*innen, die darüber informierten, ob und wie sie Abtreibungen in ihren Praxen durchführen. Besonders bekannt war etwa der Fall der Gießener Ärztin Kristina Hänel, die wegen Informationen auf ihrer Webseite verurteilt wurde. Die ersatzlose Streichung dieses Paragrafen ist zwar ein wichtiger Schritt, aber gibt uns noch lange keinen Anlass zu denken, dass sich die Lage auch weiterhin zum Positiven wendet, nur weil die aktuelle Regierung behauptet, feministisch zu sein.
Der §218 StGB kriminalisiert Schwangerschaftsabbrüche weiterhin und ungewollt Schwangere werden vor viele Hürden gestellt, stigmatisiert und verunsichert. Der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen ist noch lange nicht selbstverständlich. In Deutschland gibt es viele Städte, in denen es nur eine oder sogar gar keine Praxis gibt, die Abtreibungen durchführt. Und auch finanziell ist man gezwungen, entweder mehrere hundert Euro zu bezahlen oder bei geringem/keinem Einkommen die eigene finanzielle Lage bei der Krankenkasse zu beweisen und offenzulegen. Und: Ungewollt Schwangere müssen eine sogenannte Schwangerschaftskonfliktberatung wahrnehmen. Es gibt zum Glück Stellen wie
profamilia, die sich für reproduktive und sexuelle Selbstbestimmung einsetzen und bei der man diese Beratung machen kann. Aber man kann auch an Stellen geraten, die nicht unterstützend und solidarisch sind, sondern einem von der Entscheidung abraten wollen. Es gibt zudem rechte und konservative Gruppen, die Betroffene sowie Beratungsstellen wie profamilia versuchen, einzuschüchtern und Angst zu machen. Das ist eine ernstzunehmende Tendenz, das haben wir in Polen und jetzt in den USA gesehen – dazu komme ich jetzt.


USA
Supreme Court kippt landesweites Recht auf Abtreibung

Im Jahr 1973, also vor 50 Jahren, garantierte der Supreme Court, das höchste Gericht in den USA, das Recht auf Abtreibung als grundsätzliches landesweites Recht. Dieses Recht wurde am Wochenende durch den Supreme Court gekippt, mit der Begründung, dass die einzelnen Staaten selbst entscheiden sollten, ob sie Schwangerschaftsabbrüche legalisieren oder kriminalisieren - und viele Staaten haben Schwangerschaftsabbrüche jetzt kurz nach dem Supreme Court-Urteil auch tatsächlich verboten. In diesem Zeit-Artikel wird gut erklärt, was das für ungewollt Schwangere bedeutet. Unter anderem heißt es: „Wenn eine Frau einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen will und der jeweilige Bundesstaat das verbietet, kann sie auch zukünftig diesen Staat verklagen und geltend machen, dass sein Gesetz gegen die US-Verfassung verstoße. Allerdings sorgt die Supreme-Court-Entscheidung dafür, dass eine solche Klage keinen Erfolg hätte.“ Die Entscheidung des Supreme Court (bei der die meisten Ja-Stimmen von Männern kamen) ist ein massiver Rückschlag in Sachen körperlicher und sexueller Selbstbestimmung und zeigt, dass der Kampf für Selbstbestimmung über unsere Körper ein permanenter Kampf ist, bei dem wir uns nicht auf Staaten verlassen können. Es hat sich gezeigt: Patriarchale Staaten werden diese Errungenschaften und Kämpfe leider immer wieder angreifen und zunichte machen, wenn wir sie nicht ständig verteidigen.

Sudan
Frauen erneut gegen Militärherrschaft auf der Straße

Am Wochenende haben Frauen in Omdurman gegen Gewalt gegen Protestierende und gegen die Militärherrschaft im Sudan demonstriert. Falls ihr euch erinnert: Vor etwa einem halben Jahr erhielten die UN Berichte, denen zufolge Staatskräfte sexualisierte Gewalt gegen 13 protestierende Frauen ausgeübt haben sollen. Seit dem Militärputsch im Oktober kommt es bei Protesten dagegen immer wieder zu Todesfällen sowie Gewalt durch Polizei und Militär. Vor allem Frauen stehen an vorderster Front und sind der staatlichen Gewalt bei den Protesten besonders ausgesetzt, was von Aktivist*innen als gezielter Angriff gegen den Widerstand der Frauen eingeordnet wird. An der Demo am Samstag nahmen über 20 Frauenorganisationen teil, die gleichzeitig zu einer größeren Demonstration aufriefen, die diesen Donnerstag stattfindet. Mehr zum Hintergrund der Proteste und zur Rolle der Frauen im Widerstand gegen die Militärherrschaft könnt ihr in dieser Doku hören.

Japan
Medikamentöse Abtreibung nur mit Zustimmung des Partners

Gegen Ende des Jahres soll in Japan die Möglichkeit eines medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs eingeführt werden. Das ist erstmal eine gute Nachricht, allerdings könnte es einen riesigen Haken geben – es braucht möglicherweise die Zustimmung des (männlichen) Partners. Diese Regelung gilt auch schon für den operativen Abbruch und verhindert wirkliche Selbstbestimmung, weil so die körperliche Selbstbestimmung von Betroffenen an die Zustimmung eines Mannes gebunden ist. Welche Folgen diese Regelung hat, erklärt dieser Artikel im Guardian.


Hier noch einige Empfehlungen & Hinweise:

Women and War Podcast: 
Nächste Woche startet ein feministischer Podcast, moderiert von meiner Schwester Dilar Dirik, in dem es um die Widerstände von Frauen im Kontext von Krieg und staatlicher Gewalt geht. Ich durfte bereits reinhören und kann nur sagen, ihr solltet diese Beiträge auf keinen Fall verpassen: Die eingeladenen Gäste sprechen über die Länderbeispiele Armenien, Afghanistan, Irak, Kurdistan, Palästina und Pakistan. Folgt der Seite des Podcasts auf Instagram oder Twitter und bleibt auf dem Laufenden.💥

#TransMedienWatch: 
Es gibt eine neue Kampagne gegen transfeindliche Berichterstattung. Sie startet mit einer Petition, die ihr unter diesem Link unterschreiben könnt. Die Kampagne richtet sich gegen Medienbeiträge, die trans Menschen dämonisieren oder ihre Existenz in Frage stellen, während trans Personen tagtäglich ohnehin schon enorm viele Anfeindungen und Gewalt erfahren. Unterstützt und folgt der Kampagne auf Twitter und Instagram.

Konferenz: 10 Jahre Rojava
Die Revolution in Rojava wird 10 Jahre alt! Zu diesem Thema veranstaltet medico dieses Jahr im September eine Konferenz, und am 23.07. gibt es in Frankfurt die Auftaktveranstaltung mit Müslüm Örtülü (Civaka Azad), Anita Starosta (medico) und dem Arzt Michael Wilk. Auch die Konferenz hat vielversprechende Redner*innen zu verschiedenen Themen. Mehr dazu hier


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Und das war auch schon alles für diese Ausgabe. Ihr könnt diese Ausgabe gerne als Link teilen/weiterleiten, oder auch finanziell unterstützen (siehe unten), damit hier in Zukunft mehr Stimmen zu mehr Themen zu Wort kommen (zum Beispiel durch bezahlte Kurztexte von verschiedenen Autor*innen).

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Bis zum nächsten Mal!

 
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